REPARATUR DER CEGIELSKI-LOKOMOBILE VON 1921
Historische Fahrzeuge kompetent zu restaurieren, ist fachlich eine Herausforderung und zugleich eine bautechnische Geschichtslektion. Das zeigte sich für INTERLOK erneut, als die Generalinstandsetzung der Lokomobile des Typs EM (Werke H. Cegielski Poznań, 1921; Kessel-Ersatznummer UDT-N-21-02331) anstand. Den Dampftraktor erhielt sein Eigentümer, das in Polen führende "Muzeum Narodowego Rolnictwa i Przemysłu Rolno-Spozywczego" (Museum der Nationalen Landwirtschaft und der Agrar-Lebensmittel-Industrie) in Szreniawa bei Poznań, im April 2006 voll einsatzfähig zurück.
Da das Museum an der Bahnstrecke Wolsztyn-Poznań liegt, sind Abstecher mit Dampfsonderzügen aus dem europaweit bekannten Dampflok- Betriebswerk Wolsztyn zum Dampftraktor möglich. Das kann dem Museum neue Besuchergruppen erschließen, zumal auch die anderen Exponate (z.B. Lokomobile Kemna Breslau von 1927 und Robey&Com. von 1895, Dampfmaschine H. Cegielski, fahrtüchtiger Glühkopf-LANZ Bulldog sowie eine Schmalspur-Schlepptender-Dampflok Px49 1792, Chrzanów 2032/1950) einen Besuch lohnen. TERMINTIPP: GROSSES TRAKTORENTREFFEN am 30.7.2006 mit Einsatzfahrten auf dem großen Museumsgelände! Informationen über weitere Fahrtermine über INTERLOK.
Seit 1918 war Polen im Ergebnis des Versailler Vertrags selbständig geworden. Posen wurde zu Poznań, und das Posener Metall- und Eisenbahnwerk Hypolit (H.) Cegielski wurde neben dem Werk in Krenau – Chrzanów („Erste Polnische Lokomotivfabrik“) zum führenden polnischen Dampflokomotivhersteller. Die Herstellung dampfbetriebener Straßen- und Landwirtschaftsfahrzeuge war in Poznań Alltag.
Interessant: Die 1921 unter polnischer Regie gebaute Lokomobile wurde an Interlok mit einer zunächst unbekannten Dampfpfeife angeliefert. Nähere Untersuchungen ergaben, dass der Hersteller derselbe wie bei der parallel bearbeiteten Henninger-Dampfwalze war - „Metallindustrie Heine & Seifert“ (H&S) im niederschlesischen Hirschberg.
Auch nach der erfolgten neuen Grenzziehung wurden offenbar historisch gewachsene Lieferbeziehungen zwischen Deutschland und dem neuen Polen nicht gekappt, zumindest, wenn es sich um erstklassige Qualität der entsprechenden Artikel handelte.
Die Cegielski-Lokomobile hat ein Gewicht von 10 Tonnen, einen Wasservorrat vom 1100 Litern und Kohlevorrat von 250 kg. Sie kann bei Dauerleistung von etwa 40 PS bei 320 Umdrehungen je Minute der Kurbelwelle eine Geschwindigkeit von etwa 3,4 km erreichen. Zylinderdurchmesser ist 280mm, das Antriebsrad hat einen Durchmesser von 1200mm, Hinter- und Vorderräder haben Durchmesser von 1836 bzw. 1182mm. Mit ihrer Dampferzeugung nach dem Schmidt’schen Verfahren (mehrfache Ausnutzung des Dampfes über Überhitzer – Hochdruckzylinder – Niederdruckzylinder) ist die Lokomobile relativ modern. Die Maschine besitzt eine Anhängekupplung und eine Leinen-Zugvorrichtung.
Im Verlauf der Reparatur der Lokomobile wurden u.a. neu angefertigt: Überhitzer (links oben die Überhitzerkammer), Feuerbüchse, Kesselrohre, drei Zahnräder des Antriebs (Beispiel Foto oben rechts) mit Durchmesser 288mm (16 Zähne), 288mm (12 Zähne) und 496 mm (29 Zähne), Dampfausströmdüse, Antriebsradauflage, Schornsteinansatz. Fotos unten: Der Kessel während der Reparatur, Teile einer schrottreifen Feuerbüchse/Stehkessel einer parallel reparierten Dampflok Px48.
Der Kessel erhielt ein neues Schmiersystem unter Verwendung einer Dampflok-Schmierpresse, einen neuen Holz-Bremsklotz sowie einen Injektor der Leistung 40 l/min (siehe die obigen Fotos), und die Tauchkolbenpumpe wurde wieder aufgebaut (mit dem Fahrzeug wurde nur das Gehäuse angeliefert).
Besonders delikat war die Abdichtung von Rissen am Körper der Zwillingszylinder. Um eine mögliche Beschädigung der Zylinderzwischenkammer zu vermeiden, wurden die Risse mit der Klammermethode statt durch Schweißen abgedichtet. Durch Auftragen von Penetranzmittel wurde bei Druckproben (Foto oben rechts) eventuellen Rissen nachgespürt - wie auf den ersten beiden obigen Fotos zu sehen.
Auch die Räder, Wassertank und die anderen Elemente wurden restauriert. Nach mehreren Wasserproben waren Zylinder und Kessel dicht, so dass, wie unten zu sehen, die Endmontage begann.
Die erste Probefahrt fand im Januar 2006 bei klirrendem Frost von -15º Celsius statt. Auf dem glatten Eis vor der Fabrikationshalle rutschte der Dampftraktor heftig hin und her - ohne Bodenhaftung war das Fahrzeug kaum steuerbar. Dafür brach in der Eiseskälte die gusseiserne Steuerkette der Vorderachse - eine neue mußte angefertigt werden...
Die zweite Probefahrt im Februar 2006 war dann optimal - totz Schnee fuhr die "Straßen-Dampflok" elegant mit Höchstgeschwindigkeit auf dem Werksgelände, präsentierte sich vor der in Reparatur befindlichen Dampflok Ol49 sowie neben der ebenfalls freudig dampfenden Schmalspurlok Px48.
Schmalspur-Dampflok und Dampftraktor - die INTERLOK-Werkshalle atmete den Flair der guten alten Dampfzeit... Fotos: Hermann Schmidtendorf (22), Ryszard Smulkowski (3), Henryk Palczewski (6).
UNSERE REVISION DES DAMPFKESSELS FÜR LOKOMOBILE LANZ "LQ" - GEMEINSAM MIT MALOWA BAHNWERKSTATT
UNSERE REVISION DES DAMPFKESSELS FÜR DAMPFWALZE HENNINGER "CFW" - GEMEINSAM MIT MALOWA BAHNWERKSTATT
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